Photos: Sebastian Schobbert, Thomas Bruns
WESEN
Tania Bedriñana und Maryna Baranovska
Text by Dr. Marie Christine Jádi, 2019
In ihrer Kunst befassen sich Tania Bedriñana und Maryna Baranovska mit den existentiellen Fragen unserer Zeit: Was bedeutet innere Freiheit? Wie verhält sich der Einzelne zur Gesellschaft? Was bedeutet Fremdsein und Isolation? Was bedeutet weibliche Identität? Und wie verhält sich der Mensch zur Natur? Ohne jeglichen Appellcharakter oder moralischen Impetus drückt sich ihr je spezifisches Erleben der Welt in ihren Arbeiten aus, welche die Ausstellung unter dem Titel Wesen erstmals zusammen zeigt.
WESEN bezieht sich zum einen auf die in den Bildern gezeigten Figuren – seien es Tania Bedriñanas Kinderwesen oder Maryna Baranovskas Baumwesen. Zum anderen bezeichnet der Begriff auch das Dasein oder allgemein Seiendes und daher einen Seinszustand, dem eine Zeitlichkeit eingeschrieben ist: etwas west, ist gewesen, verwest. Im verbalen Gebrauch bei Martin Heidegger bedeutet – wesen – verweilen, währen, wohnen. Das Wesen ist demnach das Bleibende, Beharrliche an einem Dasein, im Gegensatz zu seiner Erscheinung oder seinem bloßen Schein. In ihrer Malerei geht es den beiden Künstlerinnen nicht um die Illustration eines Narrativs oder die Realisierung eines Konzepts, sondern um den Moment des Erscheinens, hinter dem sich Wesenhaftes verbirgt. Diesen Moment, in dem etwas an der Oberfläche erscheint, dort verweilt oder wieder verschwindet kann man als das Rätsel des Malens bezeichnen, dem die Künstlerinnen nachgehen. Ihre meist großformatigen Bilder gestalten sie zu Farbräumen, deren Atmosphäre den Betrachter auf ihre spezifische Weise einnimmt. Dabei berufen sie sich jeweils auf eine klassisch fundierte Kunstausbildung, die für Bedriñana in Lima und Baranovska in Kiew bereits in jungen Jahren begann und die beide im Berlin der 2000er-Jahre bis heute weiterentwickelten. Hier fanden sie zu einer hochindividuellen Ausdrucksform und zu einem je archetypischen Motiv, das in den eigenen Gefühlen, Sehnsüchten, Ängsten und Erfahrungen wurzelt.
In Tania Bedriñanas Bildern bewohnen Kinder nicht näher definierte Räume und gehen traumhaften Tätigkeiten nach, mal alleine, mal als Paar oder in der Gruppe, mal in vollkommen kindlicher Unschuld, dann wieder als enfant terrible. Das Spiel, das Ernst und Spaß vereint, lässt sich zwar in einzelnen Szenen erkennen, die Handlungen aber bleiben in der Schwebe und letztlich unsagbar. Rose Madder, beispielsweise, zeigt eine Mädchenfigur, die sich einer Lichtgestalt gleich rot leuchtend vom dunklen Hintergrund abhebt und dort nur kurz zu verweilen scheint. Schichtenweise setzt die Künstlerin die Farbe, reibt sie in die Leinwand ein und strapaziert die Bildfläche derart, dass sich eine matte, teils auch glänzende Patina bildet. Erst das wiederholte Bearbeiten von Textur und Material ermöglicht der Künstlerin, aus Substanz und Chromatik der Farbe die Figuration herauszuholen.
Beeinflusst von griechischer Mythologie und slawischer Folklore malt Maryna Baranovska lebensgroße Bäume bzw. Baumstämme, die uns in all ihrer Monumentalität und Solidität, aber dennoch vertraut und beseelt wie Lebewesen entgegentreten. Mit malerischen Mitteln verleiht die Künstlerin dem einzelnen Baum einen Charakter, mit dem der Betrachter in einen Dialog treten kann – dabei kann er furchteinflößend und distanziert erscheinen oder zugewandt, zum Näherkommen einladend. Ebenso vielschichtig ist der finstere Wald, wie wir ihn in Nacht im Tannenwald sehen. Er ruft eine ganze Reihe an Assoziationen wach und wird meist mit dem Unheimlichen und Bedrohlichen in einen Zusammenhang gebracht, schafft aber zugleich einen Raum der Geborgenheit und Erholung, einen Naturraum, der uns immer wieder in seinen Bann nimmt und fasziniert.