Die Solo-Präsentation TRAS-PASSING anlässlich der Berliner Liste 2014 stellt eine Auswahl an neueren Arbeiten der in Berlin lebenden peruanischen Künstlerin Tania Bedriñana zusammen, in den Medien Malerei, Plastik und Zeichnung. In ihrer Kunst setzt sich Tania Bedriñana mit den grundlegenden Fragen der Bildentstehung auseinander und übertritt (engl. trespass) wie durchdringt (span. traspasar) dabei verschiedene mediale Felder.
Das kindliche Sein, seine Anmut und Unmittelbarkeit, bildet den Ausgangspunkt von Tania Bedriñanas Bildfindungen, die ein Aufbrechen der künstlerischen Genres sowie ein Überschreiten der Berührungsgrenze zur Anschauung bringen. Die in ihren Bildern offen gelegte Verletzlichkeit rekurriert auf etwas zutiefst Menschliches, das in den meist weiblichen Kindergestalten verstärkt zum Ausdruck kommt. Es ist nicht die Illustration eines Narrativs oder die Realisierung eines Konzepts, das sie dabei festzuhalten versucht, sondern der Moment des Erscheinens – so flüchtig dieser auch sein mag. Ihr geht es um ein authentisches, ausdrucksverleihendes Schaffen, das in ihrer Person und ihrer Biographie wurzelt und gerade in der Offenlegung seiner Prozesshaftigkeit dem Bild als Ereignis begegnet.
Bereits in ihren frühen temporären Installationen verbindet die Künstlerin unterschiedliche Weisen des künstlerischen Handelns wie Cut Out, Malerei und Wandzeichnung. Die meist aus Papier oder Textil geschnittenen Gestalten, die sie mit Öl- oder Aquarellfarbe bemalt, entstehen zum Teil aus der obersten Wandschicht oder werden assoziativ auf der Wand arrangiert. Mit ihren Zeichnungen durchdringt sie gar den Putz und eröffnet so eine neue, zuvor verborgene Raumdimension. Auch wenn die einzelnen, fragmentarischen Figuren durchaus eine eigenständige Präsenz haben, lässt sich dennoch ein umgreifender Zusammenhang erkennen und erscheint der Raum als ein nur für kurze Zeit belebter.
Der Moment, in dem etwas an der Oberfläche erscheint, dort verweilt oder wieder verschwindet ist das Rätsel des Malens, dem Tania Bedriñana mit Radikalität nachzugehen versucht. Der Eindruck der Flüchtigkeit kommt auch beim Betrachten ihres Ölbilds Rose Madder auf. Es zeigt eine Mädchenfigur, die sich einer Lichtgestalt gleich rot leuchtend vom dunklen Hintergrund abhebt und dort nur kurz zu verweilen scheint. Schichtenweise setzt sie die Farbe, reibt sie in die Leinwand ein und strapaziert die Bildfläche derart, dass sich eine matte, teils auch glänzende Patina bildet. Der Malgrund avanciert hier zum Synonym der Haut. „In jedem Augenblick laufen die Maler Gefahr,“ beschreibt Georges Didi-Huberman jenes Phänomen, „das Fleisch ihres ‚Sujets‘, der ‚Figur‘ oder des Gesichts zu enthäuten [...].“ Doch erst das wiederholte Bearbeiten von Textur und Material des Bildes ermöglicht der Künstlerin, aus Substanz und Chromatik der Farbe die Figuration herauszuholen. So kennzeichnen Bilder wie Der Kreis oder die Serie Soplos (Hauchen) eine luftige, transparent erscheinende Malweise und eine anmutige, beinahe geisterhafte Ruhe der dargestellten Figuren.
Mit einem zarten, streichelnden Strich legt die Künstlerin ihre leicht komponierten Zeichnungen an. In ihnen bewohnen Kinder nicht näher definierte Räume und gehen geheimnisvollen Tätigkeiten nach, mal alleine, mal als Paar oder in der Gruppe, mal in vollkommen kindlicher Unschuld, dann wieder als enfant terrible. Das Spiel, das Ernst und Spaß vereint, lässt sich hier zwar in einzelnen Szenen zwischen den Figuren erkennen, deren Handlungen bleiben aber rätselhaft in der Schwebe und letztlich unsagbar.
In jüngster Zeit entstanden auch plastische Arbeiten wie el brazo que crece und katzenkinder. Hierfür entnimmt Tania Bedriñana die Figuren der ihr vertrauten Motivwelt und überführt sie in das Medium der Keramik. Durch das Bearbeiten mit Engoben und das anschließende Brennen erhalten die etwa handgroßen kindlichen Gestalten eine verletzliche, teilweise gar morbide Erscheinung, welche durch oberflächliche Kratzungen, Deformierungen oder fehlende Gliedmaße noch verstärkt wird – ohne sie aber in ihrem Kind-Sein zu stören.
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Tania Bedriñana wurde 1973 in Lima, Peru, geboren. Sie studierte Bildende Kunst an der Pontificia Universidad Católica del Perú, der Kunsthochschule Kassel und der Universität der Künste Berlin. Sie unterrichtete an der Staatliche Kunsthochschule für bildende Kunst Lima (Dozentur), Kunsthochschule Kassel (Vertretungsprofessur). Seit 2002 lebt und arbeitet sie in Berlin. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Einzel- wie auch Gruppenausstellungen innerhalb Europas und Südamerikas vertreten, wie beispielsweise im Kunstraum Bethanien (Berlin), Le Centquarte (Paris), Museo de Arte de San Marcos (Lima), Galerie ICPNA (Lima) und im Museo de Arte Contemporáneo (Santiago de Chile).
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Marie Christine Tams studierte Kunstgeschichte und Amerikanistik an der Humboldt Universität zu Berlin und dort anschließend wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturwissenschaft. Voraussichtlich Ende 2014 Promotion am Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik an der Universität der Künste Berlin mit einer Arbeit zum Ausdruck bei Helene Schjerfbeck und Gwen John, zur Zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin der Alfred Ehrhardt Stiftung Berlin.